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Max Eyth

Portrait von Max Eyth

Kirchheim unter Teck, Kloster Schönthal an der Jagst, Stuttgart, London und das nordenglische Leeds, Schubra bei Kairo, Buffalo und New Orleans, Bonn, Berlin und endlich Ulm und Neu Ulm – Stationen eines bewegten, beinahe rastlosen Lebens, wo Max Eyth wenigstens für ein paar Monate, oft aber auch für Jahre ein Heim fand. Eyth war eines der letzten Multitalente der Geschichte. Ein Vergleich mit Leonardo da Vinci wäre wohl zu hoch gegriffen - aber die Mischung aus herausragender Ingenieurkunst und fesselnder Literatur war und ist außergewöhnlich. Max Eyth war kein gebürtiger Ulmer, verbrachte aber seine letzten Lebensjahre als angesehener Bürger in der Donaustadt. Sein letzter Roman, "Der Schneider von Ulm", beschäftigte sich mit "der" Ulmer Geschichte schlechthin.

Eduard Friedrich Maximilian Eyth wird am 6. Mai 1836 geboren in Kirchheim/ Teck als erstes Kind von Eduard Eyth, Oberpräzeptor an der dortigen Lateinschule, und seiner Frau Julie, einer Schriftstellerin. Der Vater wird 1841 Professor am evangelischen Seminar im ehemaligen Kloster Schönthal und die Familie lebt nun in einer ziemlich abgeschiedenen, von der sich allenthalben anbahnenden Industrialisierung vollkommen unberührten Gegend. Auf einem Spaziergang mit dem Vater kommt der neunjährige Max erstmals mit Technik in Berührung. Vater und Sohn besuchen eine Hammerschmiede: ein Schlüsselerlebnis für den kleinen Jungen, der von Hammer und Zylindergebläse und dem geschäftigen Lärm fasziniert so fasziniert ist, dass er bei der ersten sich bietenden Gelegenheit heimlich an diesen Ort, der ihn mit "Schauder und Entzücken" erfüllt (wie er später in der Einleitung zum ersten Band von "Im Strom unserer Zeit“ berichtet), zurückkehrt.
Max Eyth ereicht gegen die Vorstellung der Eltern, dass er 1852 an die Realschule nach Heilbronn überwechseln kann, um sich dort auf das Studium des Maschinenbaus vorzubereiten. Ab Oktober desselben Jahres studiert Eyth in Stuttgart am Polytechnikum und schließt 1856 mit Preisen in Mathematik und technischem Zeichnen dort ab. Gleichzeitig kommt aber auch schon eine literarische Neigung zum Tragen. Max Eyth schreibt frühe Gedichte, Novellen und das umfangreiche historisch-romantische Gedicht "Volkmar". Nach der mehr oder minder theoretischen Hochschulausbildung will sich Eyth der Praxis stellen, schuftet im Dreizehnstundentag am Schraubstock erst in Heilbronn, wechselt zur Maschinenfabrik Kuhn in Stuttgart-Berg, zunächst als Schlosserlehrling, dann als Zeichner und endlich als Ingenieur. Eyth verlässt Kuhn im Frühjahr 1860, um auf die damals übliche Wanderschaft zu gehen: "Hinaus; lernen und lernend schaffen“. Er sucht lange erfolglos Arbeit im Ruhrgebiet, in Belgien und in England.

In Leeds besucht er die jährliche Ausstellung der Royal Agricultural Society und ist beeindruckt von den gezeigten Landwirtschaftsmaschinen. Endlich findet er eine Anstellung bei John Fowler, der gerade dabei ist, eine Fabrik für Dampfpflüge aufzubauen. Eyth leistet Werkstattdienst, er erlernt das Pflügen mit den Dampfmaschinen und wartet diese, er tüftelt erfolgreich an der technischen Verbesserung der Dampfpflüge, erfindet dafür einen selbsttätigen Seilträger und trägt wesentlich zur Entwicklung und Vervollkommnung des Fowlerschen Doppelmaschinen- Systems bei.
Als Folge des amerikanischen Sezessionskrieges ab 1860 bricht der Baumwollhandel der Südstaaten zusammen. In Ägypten erkennt man die Gelegenheit, hiervon wirtschaftlich profitieren zu können. Der fortschrittlich eingestellte Halim Pascha will auf seinen großen landwirtschaftlich genutzten Ländereien Dampfpflüge von Fowler einsetzen und bestellt auch das Fachpersonal aus England. Im Februar 1863 reist Eyth ins Land am Nil. Wenige Wochen später stellt ihn dann Halim Pascha mit Fowlers Einverständnis als Chefingenieur an. Eyth richtet sich in Schubra, der nördlich von Kairo gelegenen Residenz Halim Paschas, ein Haus ein, ist aber auch häufig auf dessen weit verstreut liegenden Gütern unterwegs, um überall technisch gut ausgestattete Musterbetriebe aufzubauen. Er konstruiert auf die speziellen Bedürfnisse zugeschnittene Maschinen, er lässt diese Maschinen bei Fowler bauen, und die dortige Fabrik kann infolge des "ägyptischen Baumwollfiebers" sogar wesentlich erweitert werden. Neben der Arbeit findet Eyth immer wieder Zeit für Ausflüge zu den Pyramiden, zum Sinai, ins Heilige Land und dokumentiert diese Unternehmungen mit zahlreichen Reiseskizzen. Die Rivalitäten zwischen dem ägyptischen Vizekönig und Halim Pascha arten fast in einen Wirtschaftkrieg der beiden größten Landbesitzer und Unternehmer aus und führen zum wirtschaftlichen Zusammenbruch von Halim Pascha: Er muss im Frühjahr 1866 seine landwirtschaftlichen Aktivitäten stark einschränken und auch der (kurz zuvor unter für Eyth günstigsten Bedingungen verlängerte) Vertrag mit Eyth wird gelöst. Allerdings hatte Fowler schon vorher Eyth die Wiedereinstellung angeboten und so geht dieser im Herbst wieder nach England, allerdings nur um im Dezember nach Amerika zu reisen. Nach dem Ende des Bürgerkriegs und der Abschaffung der Sklaverei setzt man bei Fowler große Hoffnungen auf ein erneutes Aufblühen der Baumwollproduktion in den Südstaaten – möglichst unter Einsatz von Fowlerschen Maschinen. Eyth soll in der Neuen Welt den Verkauf der Produkte aus Leeds vorantreiben, er kann aber als Folge der desolaten Wirtschaftslage der Pflanzer nach den Bürgerkrieg keine Geschäfte tätigen.

Ein zweites zukunftsträchtiges Projekt wird durch die Belgier Havre und De Mesnil angestoßen, und auch dabei soll Eyth als Ingenieur die vorbereitenden Versuche leiten: Die Ketten- oder Seilschifffahrt (Tauerei), bei der sich die Boote über ein im Wasser verlegtes Drahtseil vorwärts hangeln. Havre und De Mesnil wollen nun für Kettenschiffahrtsprojekte in den Vereinigten Staaten eine im Hause Fowler entwickelte, von Eyth überarbeitete "clipdrum", eine Klappentrommel, einsetzen. Eyth führt erfolgreich Versuche mit der Tauerei auf dem Erie-Kanal unter Einsatz einer von ihm konstruierten, in Leeds gebauten neuen Schleppmaschine durch, eine Konzession für die Kettenschifffahrt im Staat New York und in Pennsylvania wird von den politischen Stellen allerdings nicht bewilligt. Havre und De Mesnil haben aber zwischenzeitlich ein Projekt in Belgien auf der Maas angepackt, und um Eyth als technischen Leiter nicht zu verlieren, machen sie ihn zum Teilhaber ihrer Gesellschaft.

Die belgischen Tauerei-Projekte mit Fowler’schen Schleppmaschinen laufen glänzend an, Eyth pendelt zwischen Leeds, Brüssel, belgischen und holländischen Kanälen hin und her, im Frühjahr 1869 entscheidet er sich dann aber für die vorrangige Tätigkeit bei Fowler: Er reist nun während der nächsten 12 Jahre durch zahlreiche Länder, um mit wachsendem Erfolg den Verkauf von Dampfpflügen und anderen Maschinen voranzutreiben. Dazwischen Konstruktionsarbeiten in Leeds für Neuentwicklungen oder Anpassen der Maschinen an spezielle Gegebenheiten, die alljährlichen Ausstellungen der Agricultural Society mit der Präsentation der neuesten englischen Landwirtschaftstechnik.
Mit Beginn der Achtziger Jahre übernimmt eine neue Generation die Führung der Fowler’schen Betriebe, es kommt zu wachsenden Spannungen zwischen Eyth und der von ihm verächtlich als "junge Brut" bezeichneten Geschäftsleitung, er kündigt und verlässt im Juli 1882 Fowler, Leeds, England.

Max Eyth ist jetzt 46 Jahre alt. Er fühlt sich aber nicht alt genug, um sich mit einem ausreichenden Vermögen, zu dem vor allem seine Einkünfte in Ägypten den Grund gelegt haben, als Privatier zurückzulehnen. Eyth sucht nach einer Beschäftigung, welche ihm seine "geistige Freiheit" lässt. Noch in England kommt ihm die Idee, nach dem Vorbild der Royal Agricultural Society of England in Deutschland - in ganz Deutschland, im Gegensatz zu durchaus bestehenden lokalen und regionalen landwirtschaftlichen Verbänden - eine ähnliche Vereinigung ins Leben zu rufen, vorerst "Deutscher Reichsverein für Landwirtschaft" genannt, mit der er in erster Linie breitenwirksame, im jährliche Turnus an wechselnden Orten stattfindende Ausstellungen veranstalten will, Leistungsschau und Informationsbörse in einem. Bald kommen neue Aufgaben wie gemeinschaftlicher (und damit preisgünstigerer) Bezug von Dünger oder Saatgut dazu. Unermüdlich rührt er die Werbetrommel, lanciert Zeitungsartikel, knüpft Kontakte, spricht potentielle Mitglieder an. 1884 wird zunächst ein Provisorium unter dem Namen "Deutsche Landwirtschaftsgesellschaft", bzw. unter dem von Eyth vorgeschlagenen Kürzel "DLG" gegründet. Am 11. Dezember 1885 wird das Provisorium in die endgültige DLG umgewandelt mit bereits 2866 Mitgliedern, darunter sogar Reichskanzler von Bismarck. Eyth wird ehrenamtliches "Geschäftsführendes Mitglied des Direktoriums". Er verlegt nun seinen Wohnsitz von Bonn nach Berlin und leitet die DLG von dort aus. Mit der Ausstellung in Stuttgart beendet Eyth1896 seine Tätigkeit für die DLG.
Der Einsatz für die DLG bringt Eyth zahlreiche Ehrungen. Er erhält u.a. den Zähringer Löwenorden, den preußischen Kronenorden, wird Preußischer Geheimer Hofrat, mit der Verleihung des Ehrenkreuzes der Württembergischen Krone wird er in den persönlichen Adelsstand erhoben.

Schließlich folgt die Rückkehr in die schwäbische Heimat: Eyth zieht nach Ulm bzw. nach Neu-Ulm zu seiner Mutter in die Friedrichstraße 19 (heute Hermann-Köhl-Straße). In Ulm richtet er sich am Michelsberg 173 eine Junggesellenwohnung ein, die er seinen "Athos" nennt, in Anspielung auf das (ausschließlich Männern vorbehaltene) mönchische Gemeinwesen in Nordgriechenland. Hier befindet sich seine Bibliothek, hier arbeitet er und empfängt Gäste. Beinahe täglich spaziert er von Neu-Ulm auf den Michelsberg hinauf, um sich ungestört seinen neuen, selbst gesetzten Pflichten zu widmen: Er arbeitet Vorträge aus, ordnet und überarbeitet seine zahlreichen zeichnerischen Skizzen, und vor allem, er betätigt sich wieder schriftstellerisch.

Auf dem "Athos" entstehen neben technischen Aufsätzen u.a. "Im Strom der Zeit", eine autobiografisch angelegte Briefsammlung und der Roman "Der Kampf um die Cheopspyramide". Eyth ist in Ulm gut integriert, er gehört zu den Honoratioren der Stadt, verkehrt regelmäßig in der Museumsgesellschaft, im Pfarrkranz und am Stammtisch des Altertumsvereins. Nach dem Tod der Mutter 1904 bezieht Eyth eine große Wohnung in der Lichtensteinstraße 16. Er bereitet nun sein letztes Werk vor: "Der Schneider von Ulm. Geschichte eines zweihundert Jahre zu früh Geborenen", ein Roman, keinesfalls eine historisch exakte Biografie. Für seine Recherchen geht er sogar noch einmal in die Lehre und lernt bei einem Schneidermeister dem Umgang mit Nadel und Faden. Max Eyth stirbt am 25. August 1906 in Ulm, ohne den Druck seines "Schneiders" noch zu erleben. Testamentarisch vermacht er dem Museum sein zeichnerisches Werk und verfügt die Gründung einer Stiftung, mit der die Angehörigen von Arbeitsunfallopfern unterstützt werden sollen. In Ulm erinnert an Max Eyth ein Denkmal an der Adlerbastei und die Landwirtschaftsschule in der Pfefflinger Straße ist nach ihm benannt.